6.9. Il Civetto

Die Berliner Band il Civetto hat sich im Geiste des Pop neu erfunden – und  Fusion-Pop gleich dazu: Ihre universelle Mischung bricht mit westlichen  Kulturklischees.  

Ein Abend im Mai 2011. Bereits aus der Ferne scheint der U-Bahnhof Schlesisches  Tor in Berlin zu beben. Hypnotische Beats und Melodien elektrisieren die Luft, eine  unwiderstehliche Anziehungskraft geht von dem historistischen Ziegelbau aus. Im  Inneren des Bahnhofs beugen sich ein paar junge Musiker über ihre Instrumente und verwandeln die Szenerie binnen Minuten in einen orgiastischen Street Rave. Schon  bald drängen sich die Massen bis zur Straße und darüber hinaus, der Späti-Verkäufer  kommt mit den Getränken nicht mehr nach.

Seit diesem und vielen weiteren Guerilla-Konzerten hat die Gruppe rund um Leon  Keiditsch (Gesang), Dany Ahmad (Bass), Robert Kondorosi (Gitarre), Leon Bollinger  (Schlagzeug & Percussion) und Lars Löffler-Oppermann (Klarinette, Saxofon, Keys)  auf organische Weise eine überaus beeindruckende Entwicklung genommen, die nun  in dem universellen Melting-Pop von neuen Stücken wie »Rio-Reiser-Platz« und »Neonlicht« ihren vorläufigen Höhepunkt findet – und mit „Späti del Sol“ im bislang  besten Album von il Civetto gipfeln wird.

Das erste, was auffällt: Alle neuen Songs sind auf Deutsch getextet. Eine  Entscheidung, die dem stilistischen Multikulturalismus der Gruppe jedoch nur  scheinbar entgegensteht. Mindestens so wichtig wie ihre musikalische Offenheit und  Vielseitigkeit ist es il Civetto nämlich, verstanden zu werden. In den Interviews zu  »Facing the Wall« (2019) war den Musikern aufgefallen, dass sie ihre Texte immer  wieder ausgiebig erklären mussten – und wer will schon Pop-Texte erklären?

il Civetto jedenfalls nicht. Ihre gesellschaftlichen und politischen Anliegen sind ihnen  so wichtig wie die Musik selbst. »Themen wie Klimawandel oder Gentrifizierung  spielen bei uns automatisch eine Rolle«, sagt Bollinger. »Wir sind politische  Menschen, das lässt sich gar nicht von unserer Musik trennen.« Es ging also darum,  eine neue Sprache für diese Musik zu finden. In der ersten Single »Rio-Reiser-Platz«,  die zu Rio Reisers 25. Todestag erschien, vermitteln il Civetto spielerisch die

Grenzmarkierungen aktueller Gentrifizierungsdiskurse zwischen linker Tradition und  turbokapitalistischer Gegenwart. Ihrem neuen Album ist außerdem ihre gemeinsame unstillbare Sehnsucht nach der Ferne ebenso eingeschrieben, wie dem großartigen  »Neonlicht« der Pop. »Wir haben uns früher nie getraut, uns so klar zu unserer Pop Leidenschaft zu bekennen«, sagt Lars Löffler-Oppermann. Dass sie diesen Mut jetzt  aufgebracht haben, ist gut für uns alle.

„Späti del Sol“ ist in Zusammenarbeit mit den Produzenten Ralf Christian Mayer (Cro,  Clueso, Mark Forster) und Tim Tautorat (AnnenMayKantereit, Faber, Provinz)  entstanden und ist ab 20.05.22 als CD & limitierte Vinyl & digital als Stream und im  Download erhältlich und ab sofort vorbestellbar.

 

Tickets hier: https://www.kulturkraken.de/tickets/il-civetto-world-2023

Die Veranstaltung ist beendet.